Fragilität aller Orten
- Dirk Bildhäuser
- 16. Apr. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Geht es Ihnen auch so? Sie stehen am Gleis. Der Zug ist noch nicht da. Am Eingang zum Stadion: Wieder mal ein Riesenchaos. Und erst die Abdeckung in Deutschland mit 5G?! Das ist unsere subjektive Wahrnehmung: Nichts funktioniert so, wie wir es eigentlich erwarten. Das eigentliche Wunder ist aber: Dass alles dennoch (irgendwie) klappt. So denken wir zumindest.
Waren Sie schon mal auf Sri Lanka? Ich bin dort mit einem Mietwagen die Insel abgefahren. An einem – nennen wir es mal – Supermarkt bin ich von einem Briten angesprochen worden. Wie lange ich denn schon auf der Insel leben würde. Auf meinen verwunderten Blick und meine Aussage, dass ich lediglich ein Tourist sei, wollte er mir das zunächst nicht glauben. Er lebe seit mehr als zehn Jahren hier, sagte er. Und diejenigen Amerikaner oder Europäer, die hier selbstständig Auto fahren würden, wären ausnahmslos Expats. Der Grund für sein Erstaunen war offensichtlich: Die gesamte Straßenbreite wird von sämtlichen Transportmitteln gleichzeitig (und damit meine ich genau das) genutzt. Ob LKW, PKW, Zweirad, Fahrrad, Pferde-/Eselfuhrwerk oder Fußgänger. Und das in beide Richtungen. Für uns, die vorm Überholen ordnungsgemäß blinken, eine Horrorvorstellung. Aber: Es passiert fast niemals etwas Ernstes. Erst, als auf Sri Lanka ein Autobahnabschnitt gebaut wurde, gab es häufig Unfälle, da die Verkehrsteilnehmenden es nicht gewohnt waren, ohne Gegenverkehr und andere Hindernisse einfach schnell und durchgängig fahren zu können.
Sicher ist das auch ein kulturelles Thema: In Europa (und speziell in Deutschland) geben sich Gesellschaften mehr oder minder strikte Regeln, um das Zusammenleben und etwaige Unsicherheiten zu strukturieren und zu organisieren. Wir können gar nicht mehr anders. Und sind dann erstaunt, dass das alles irgendwie gar nicht hilft. Denn die Welt ist nicht so vorhersehbar und steuerbar, wie wir es gerne hätten. Denn sie ist fragil. Fragil in der Weise, dass das scheinbare Funktionieren der Welt um uns herum Resultat eines immer wieder revolvierenden Musters ist, dass sich jedoch stets aus gewissen Rahmenbedingungen heraus mehr oder minder zufällig so ergibt.
Fragilität und die daraus resultierende disruptive Brüche sind deshalb die eigentlichen Normalzustände. Es ist daher eher erstaunlich und der Anpassungsfähigkeit von Individuen und diversen sozialen Systemen geschuldet, dass diese sich derart an die Rahmenbedingungen anpassen, dass sie ihre spezifischen Ziele erreichen können. Nur: Wenn das soziale System ein Unternehmen ist, passiert häufig genau das Gegenteil. Wie sagt man so schön: Die lassen lieber den Laden vor die Wand fahren, als dass sich etwas (notwendigerweise) ändert. Denn die Welt ist im stetigen Umbruch. Und eben höchst fragil. Nur viele Entscheider zögern lieber, die Komplexität der Außenwelt mit der Innenwelt ihrer Systeme zu koppeln. Die Folge davon: Irgendwann ist der Abstand resp. der Bruch so groß, dass die berühmte Ankoppelungsfähigkeit an den Markt verloren und das Unternehmen untergeht. Dagegen kann man was tun. Sie wissen schon 😉!
Comments