Wasser, Farbe, Flow und Organisationen
- Nadine Sporea
- 5. März
- 2 Min. Lesezeit
Meine kreativen Hobbies, wie beispielsweise die Malerei, retten regelmäßig meinen Kopf. Beim Malen denke ich erst gar nicht und hinterher dann anders.
In der Aquarellmalerei gibt es einen entscheidenden Moment: Der Augenblick, in dem Wasser und Farbe aufeinandertreffen. Etwas Unvorhersehbares passiert. Die Farbe breitet sich aus, verbindet sich mit anderen Tönen und fließt in Richtungen, die ich nicht immer kontrollieren kann. Wenn ich versuche, diesen Prozess vollständig zu steuern, verliere ich das, was Aquarell so besonders macht – die Leichtigkeit, die Tiefe und die organische Schönheit des Entstehens.
Dieses Prinzip finden wir auch in Organisationen wieder. Denn Systeme – ob in der Kunst oder im Unternehmensalltag – sind lebendig. Sie reagieren und verändern sich kontinuierlich. Wer versucht, jede Variable zu kontrollieren, erstickt die Entfaltung von Innovation und Entwicklung. Aquarelle werden dann flach und eindimensional. Organisationen spröde und unflexibel.
Vertrauen in die Dynamik
In Organisationen geht es nicht nur um Planung und Kontrolle, sondern auch darum, Vertrauen in die Dynamik des Teams zu setzen. Gute Führung bedeutet nicht, jede Entscheidung von oben zu diktieren, sondern vielmehr die richtigen Bedingungen zu schaffen, die es den Mitarbeitenden ermöglichen, sich selbst zu entfalten. Es ist der Glaube daran, dass Dinge gut werden können, auch ohne Eingriffe, dass nicht jede Antwort von der Führungsebene kommen muss, sondern dass handwerklich gut umgesetzte Impulse zu guten Ergebnissen führen.
Vertrauen in den Prozess
In Veränderungsprozessen begegnen wir Widerständen. Der natürliche Reflex ist, sofort gegen diese anzukämpfen – zu handeln, um den Widerstand zu brechen. Doch was passiert, wenn wir einfach beobachten und zulassen, was sich formt? Oft entwickelt sich aus diesem Prozess etwas viel Stärkeres, als es jeder starre Plan jemals erreichen könnte. Der Widerstand hat seinen Platz; er ist Teil des Prozesses. Und manchmal sind es gerade die unerwarteten Wendungen, die zu den nachhaltigsten Veränderungen führen.
Mit Neugier auf das Unerwartete blicken
Nicht jede Entscheidung, jeder Prozess oder jedes Ergebnis kann perfekt geplant oder kontrolliert werden. Nicht alles läuft nach unserem Willen. Doch genau in diesem Unvorhersehbaren liegt oft die größte Magie.
Wenn wir dem Unerwarteten mit Neugier begegnen, unseren Instinkt, sofort zu bewerten, bewusst etwas verzögern und wirken lassen, was entsteht, schaffen wir es vielleicht mit anderen Augen auf das Ergebnis zu blicken.
Aquarell und Organisationsentwicklung
Ob auf Papier oder im Leben – manchmal müssen wir der Farbe, den Ideen und den Prozessen einfach ihren Lauf lassen. Wir sind das nicht gewohnt, schließlich haben wir jahrelang versucht, jede Eventualität zu managen und jedes Risiko bis ins kleinste Detail zu mitigieren.
Doch manchmal weicht das Resultat unserer Impulse von dem Ergebnis ab, das wir uns ursprünglich gewünscht haben. Dann stellt sich die Frage: Ist es deshalb wirklich weniger gut, oder könnte es nicht auch anders, aber dennoch schön sein? Und wer beurteilt eigentlich, was „gut“ ist?
In der Organisationsentwicklung geht es oft genau darum: den Raum für unvorhersehbare, aber wertvolle Entwicklungen zu schaffen. Wenn wir den Mut haben, loszulassen und der Dynamik zu vertrauen, entstehen oft die beeindruckendsten Ergebnisse – sowohl in der Kunst als auch in der Arbeit mit Organisationen.
Yorumlar