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Muss denn immer alles agil sein?

  • Autorenbild: Nadine Sporea
    Nadine Sporea
  • 17. Apr. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Apr. 2024

Wenn Sie heute wenig Zeit haben und keinen ganzen Beitrag lesen wollen, bekommen Sie gleich zu Beginn die Antwort: jain.


Die Welt ist das reinste Chaos. Mein Kollege Dirk Bildhäuser hat einen Blogbeitrag darüber verfasst, dass Systeme die Eigenschaft haben, sich selbst zu regulieren, wenn man sie lässt.

Weil wir uns darauf nur sehr zögerlich verlassen, sind wir immer dankbar, wenn uns Heilmittel verordnet werden: Methoden, Modelle, der Weg zu garantiertem Erfolg in 7 Schritten, kaufen Sie gleich die Großpackung, viel hilft viel. Quasi die Familienpackung Erleichterung für Unternehmen.

"Agilosan" ist auch zu einem dieser Heilmittel geworden. Alle machen irgendwas mit agil weil VUCA und so... Kann ja nicht schaden.

In diesem Blogbeitrag denke ich darüber nach, was Agilität eigentlich bedeutet, wie es zum Buzzword werden konnte und ob wirklich alles und jeder heute agil sein muss.


Was bedeutet Agilität?


Fragen wir doch direkt die Agile Alliance. Die schreibt auf ihrer Startseite (frei übersetzt):

"Agilität ist die Fähigkeit, Mehrwert zu kreieren und auf Veränderungen zu reagieren. Es ist eine Möglichkeit, mit einem unsicheren und turbulenten Umfeld umzugehen und letztlich darin erfolgreich zu sein. Die Autoren des "Agilen Manifests" haben den Begriff agil gewählt, weil er den Kern Ihrer Idee eines responsiven und adaptiven Ansatzes am besten widerspiegelte. Worum es dabei wirklich geht, ist, eine Möglichkeit zu finden, zu verstehen, was in Deiner Umwelt vor sich geht, die Unsicherheiten zu identifizieren und herauszufinden, was zu tun ist, während man sich durch diese Welt bewegt."


In diesen Zitat ist von mehreren Dingen die Rede, die es Wert sind, sie sich genauer anzusehen.

  1. Das Umfeld Das VUCA-Modell beschreibt die Herausforderung. Das Wort VUCA als Akronym steht für volatility (Volatilität), uncertainty (Ungewissheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Ambiguität). Die heutigen Märkte, Technologien und Gegebenheiten verändern sich zunehmend schneller und oft auch radikaler, die Veränderungen sind in Ihren Zusammenhängen und Auswirklungen zunehmend komplexer und weniger eindeutig zu erfassen. Weil sich die Welt nicht nach uns richtet, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns an die Welt anzupassen.

  2. Das Agile Manifest und seine Ersteller Diese Entwicklung ist nicht neu und nimmt seit Beginn der Industrialisierung zu und seit der Technologisierung der 80er und 90er Jahre erst richtig an Fahrt auf. So ist auch nicht verwunderlich, dass die ursprünglichen Ersteller des agilen Manifests aus dem Bereich der Softwareentwicklung kamen. Sie unterhielten sich 2001 bei einem Skiwochenende darüber, wie Softwareentwicklung organisiert sein müsse, um in den sich abzeichnenden Bedingungen echten Mehrwert zu liefern.

  3. Agil beschreibt den Kern einer Idee von Fähigkeiten Interessanterweise ist dabei nicht von Softwareentwicklung im Speziellen die Rede. Zwar heißt das ursprüngliche Werk "Agile Software Development Manifesto", aber bei der Lektüre wird schnell klar: um guten Code geht es jetzt nicht mehr. Es geht darum, welche Werte die Voraussetzung für Wertschöpfung sind: Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein. Nirgendwo ist die Rede von konkreten Techniken oder Praktiken, die anzuwenden sind, sondern zunächst einmal nur Prioritäten. Die Prinzipien der linken Seite, also die Worte vor dem "Mehr" sind den Verfassern wichtiger, als die auf der rechten Seite. Abgeleitet von dieser Priorisierung ergibt sich ein Satz an Werten, an denen wir unser Handeln messen können. Auf die notwendig schlussfolgernde Frage, WIE man das Ziel der linken Seite erreicht entstand eine Antwort in Form diverser Wertesets und verschiedener Frameworks, die alle in verschiedenen Herangehensweisen versuchen.



Warum Agilität so ein Trend ist


Die kurze Antwort hierauf ist: weil sie funktioniert. In einer Welt schneller Veränderung ist eine innere Haltung, mit der man schnell auf diese Veränderung reagieren kann, ein Erfolgsfaktor. Das klingt einleuchtend und erst einmal unspektakulär.

Wäre es bei diesem Agilen Manifest geblieben, wäre die Welle vielleicht nicht so groß geworden. Doch aus den Werten sind konkrete Frameworks entstanden. SCRUM ist eins davon und der wahrscheinlich berühmteste Vertreter. Auch der Scrum Guide ist recht kurz (er umfasst ca. 20 zugegeben sehr komprimierte Seiten) und gibt ausschließlich drei Bausteine vor: Meetings, Rollen, Artefakte. Mehr nicht.

SCRUM traf in den 2000er Jahren auf frustrierte Organisationen, deren Projekte stockten und deren ITs partout nicht mehr liefern konnten und bot vielen eine Möglichkeit, den gordischen Knoten zu zerschlagen. Es dauerte auch nicht lange, bis dieses Prinzip notwendigerweise in die umgebenden Organisationen überschwappte. Auf der Suche nach dem Geheimnis erfolgreicher Tech Organisationen fand man: sprintende IT Teams und agile Business Organisationen.

Auf den Erfolg wurden auch - wie sollte es anders sein - Beratungshäuser aufmerksam. Die wiederum verkauften Agilität aus dem Blister, legten wenig Wert auf die Werte, geschweige denn die notwendigen Änderungen in Struktur und Kultur der Organisationen. Sie liefen mit den üblichen Versprechungen durch die Vorstandsbüros: "Mit der Agilität wird alles schneller, besser, effizienter und überhaupt machen das heute alle so." Und ein bisschen wie der dankbare Bluthockdruckpatient, der nicht aufhören will zu rauchen nahmen die Damen und Herren die Verordnung gerne an.

An vielen Stellen sind daher bis heute Zombie Scrum Teams unterwegs, die zwar sprinten, aber nicht wissen, wieso. Scrum ist zum Arzneimittel verkommen, das noch nicht mal sonderlich wirksam scheint, entschieden und gearbeitet wird genau wie vorher, nämlich in der Hierarchie, die zusätzlichen Meetings gibts obendrauf.

Der Comic Agilé bringt diesen Ansatz mit seinem humoristischen Take der agile.exe hervorragend auf den Punkt.



Was sollen wir also mit Agilität anfangen?


Agilität ist zweifellos eine gute Sache. Ich arbeite seit langem in agilen Projekten und Organisationen und sehe, dass das nicht nur den Ergebnissen, sondern auch der Zufriedenheit der Menschen zuträglich ist.

Aber die Agilität gehört aus dem Apothekerschrank geholt und eher in die Kategorie der Lebensstiländerungen einsortiert.

Eine Organisation, die sich an den agilen Werten orientiert schafft es, Disruptionen gegenüber resilient zu sein, weil deren Mitarbeiter sich (mit ein bisschen Übung) in der Lage sehen auf selbige wirkungsvoll zu reagieren. Diese Eigenschaft nennt man Antifragilität. Die Antifragilität ist wiederum das Ziel der agilen Lebensstiländerung.


Das bedeutet zwangsläufig, dass wir irgendwo einmal anfangen müssen, auf diese Art zu arbeiten und unsere Organisationen entsprechend auszurichten. Dazu kann man natürlich Modelle adaptieren, die sich jemand anders ausgedacht hat. Nur bitte mit der notwendigen Reflexion, Anpassung und ganz viel Geduld.


Hier kommen wir also wieder zurück auf die Ursprungsfrage: muss denn nun jeder und alles agil sein?

Ja. Wer sich nicht anpassen kann, wird irgendwann irrelevant. Und...

Nein. Es gibt noch andere richtige und wertvolle Ansätze, die ebenfalls ihre Berechtigung haben und in anderen Kontexten viel besser passen.

Der Kontext entscheidet über die Strategie die wir wählen. Agilität ist da keine Ausnahme.


Die Antwort auf die Frage ist also komplex und mehrdeutig - so wie es sich in der VUCA Welt gehört.


"Funktionieren" agile Methoden in ihrem Unternehmen? Wurde bei Ihnen vielleicht auch die Großpackung Agilosan verordnet? Oder gehen Sie es ganz anders an?

Mit welchen Methoden bestehen Sie in der VUCA Welt?

Lassen Sie uns dazu sprechen, treten sie HIER mit uns in Kontakt.


Die VUCA Welt kennen Sie bereits, aber haben Sie schon von der BANI Welt gehört?

Mehr dazu im nächsten Beitrag...







 
 
 

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